Mietminderung bei abweichender Wohnfläche
1 CommentAbweichende Wohnfläche als Mangel
Der für Wohnungsmietsachen zuständige 8. Zivilsenat Bundesgerichtshof (BGH) hat sich bereits 2004 (VIII ZR 295/03) höchstrichterlich mit der Frage auseinander gesetzt, unter welchen Voraussetzungen ein Mieter zur Minderung der Miete berechtigt ist, wenn die Wohnfläche von der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche nachteilig abweicht.
In dem zu entscheidenden Fall hatten die Beklagten im Jahre 2001 eine Wohnung gemietet, deren Wohnfläche im Mietvertrag mit 126,45 qm vereinbart war. Nachdem im Dezember 2002 eine Nachmessung ergab, dass die tatsächliche Wohnfläche nur 106 qm betrug, minderten die Beklagten in der Folgezeit die Miete. Die Vermieter erhoben daraufhin Zahlungsklage, der das Amtsgericht stattgab.
Die für die Mieter erfolgreiche Berufungsentscheidung des Landgerichts Osnabrück war Gegenstand der Revision beim BGH.
Erhebliche Abweichung
In Literatur und Rechtsprechung herrschte bis dato weitestgehend Konsens darüber, dass ein Mietmangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB vorliegen kann, wenn die tatsächliche Wohnfläche erheblich von der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche abweicht (vgl. OLG Dresden, MDR 1998, 643; OLG Karlsruhe, NZM 2002, 218; KG, GE 2002, 257; OLG Frankfurt, GE 2003, 284; Weidenkaff in Palandt, BGB, 63. Aufl., § 536 Rz. 22; Eisenschmidt in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Auflage, § 536 Rz. 44). Als erhebliche Abweichung wird es angesehen, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10% hinter der vereinbarten Fläche zurückbleibt (OLG Karlsruhe, aaO; KG, GE 2002, 257).
Der Senat hat diese herrschende Meinung bestätigt und ausdrücklich beschieden, dass die vertraglich vereinbarte Fläche Teil der Sollbeschaffenheit der Mietsache ist. Möglich sei allerdings, dass die Parteien gerade deshalb eine vertragliche Vereinbarung über die Wohnfläche treffen, um die wahre Größe dem Streit zu entziehen und die Wohnfläche unabhängig von der tatsächlichen Größe verbindlich festzulegen. Entsprechendes wurde hier von Vermieterseite aber nicht vorgetragen.
Umstritten und bislang nicht höchstrichterlich entschieden war die Frage, ob der Mieter darlegungspflichtig dafür ist, dass eine erhebliche Abweichung der Fläche die Tauglichkeit der Wohnung zu dem vertragsgemäßen Gebrauch mindert (pro: OLG Dresden, aaO; LGBerlin, NZM 1999, 412; contra: OLG Karlsruhe, aaO; OLG Frankfurt, aaO; LG Köln ZMR 2003, 429; Kraemer, WuM 2000, 515, 522; Eisenschmidt in Schmidt-Futterer, aaO mwN).
Eine solche Minderung der Gebrauchstauglichkeit ist gemäß § 536 Abs. 1 S. 2 BGB Voraussetzung für das Vorliegen eines zur Minderung berechtigenden Fehlers und daher grundsätzlich von demjenigen, der das Minderungsrecht geltend macht, vorzutragen.
Vermutung für geminderte Gebrauchstauglichkeit
Der BGH hat sich 2004 dieser Meinung angeschlossen, die den Mieter im Falle einer erheblichen Abweichung nicht für verpflichtet ansieht, die geminderte Gebrauchstauglichkeit darzulegen. In diesem Fall spricht nämlich, nach Meinung des Senats, bereits eine tatsächliche Vermutung für eine geminderte Gebrauchstauglichkeit, die der Mieter nicht gesondert belegen muss.
Zwar sei für den Mieter in erster Linie der bei der Besichtigung der Wohnung gewonnene Eindruck über Zuschnitt und Größe maßgeblich. Die vereinbarte Fläche sei aber ein wesentliches Merkmal für den Nutzwert der angemieteten Wohnung. Dies ergibt sich nach zutreffender Aufassung des Senats schon daraus, dass bereits die in Annoncen angegebene Wohnfläche regelmäßig ein Kriterium für Wohnungssuchende darstelle, angebotene Wohnungen und Mieten zu vergleichen.
Bedeutung komme der Fläche regelmäßig auch bei der Berechnung einer Mieterhöhung und der Abrechnung und Erhöhung von Betriebskosten zu, so dass dem Mieter bei fehlerhaft angegebener Fläche ein wirtschaftlicher Schaden entstehen könne. Auch setze die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch voraus, dass die Wohnung mit der vertraglich angegeben Größe nutzbar ist.
Weicht die tatsächliche Größe um mehr als 10% von der vereinbarten Größe ab, so ist also nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Tauglichkeit der Wohnung gemindert, ohne dass der Mieter eine konkrete Beeinträchtigung durch die Flächenabweichung nachweisen muss. Allerdings sollte der Mieter, bevor er die Mieter mindert und gegebenenfalls auf § 812 BGB gestützte Rückforderungsansprüche wegen zuviel gezahlter Miete geltend macht, unbedingt einen Fachmann (z.B. Architekten) mit der Ermittlung und Berechnung der tatsächlichen Wohnfläche beauftragen.
Sodann sollte er den Rat eines im Mietrecht bewanderten Rechtsanwaltes suchen. Dieser wird dann auf der Grundlage der so festgestellten Wohnfläche im Einzelfall prüfen, welche Rechte dem betroffenen Mieter zustehen und welche Möglichkeiten ihrer Geltendmachung und Durchsetzung bestehen.
Verjährung
Hat der Mieter jahrelang die vertraglich vereinbarte Miete gezahlt, obwohl die Wohnung mehr als 10% kleiner war, als vertraglich vereinbart, kann ihm ein Rückforderungsanspruch zustehen. Die Verjährung dieses Anspruchs beginnt erst ab Kenntnis von der Wohnflächenabweichung. So können also u. U. für weit zurückliegende Zeiträume noch erhebliche Beträge zurückgefordert werden.