Witzfigur!
1 CommentMein Mandant hatte über eBay ein iPhone erworben. Nach Zahlung und Erhalt des Telefons musste er erhebliche Mängel feststellen und geriet darüber mit dem Verkäufer in Streit. Dieser bezeichnete ihn im Zuge der Korrespondenz als „Witzfigur“, was sich mein Mandant nicht gefallen ließ und den Verkäufer durch mich auf Unterlassung in Anspruch nahm. Nachdem die Unterlassungserklärung und die geforderte Rückabwicklung des Kaufvertrages verweigert wurde, habe ich für meinen Mandanten Klage eingereicht. Der Gegner beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, welche ihm vom Amtsgericht Siegen versagt wurde. Dagegen legte er Beschwerde ein, der jedoch nicht abgeholfen wurde. Also musste das Landgericht entscheiden.
Heute erhielt ich nun einen sehr schön begründeten Beschluss, mit dem die Beschwerde zurückgewiesen wurde:
Die Rügen des Beklagten gegen den angefochtenen Beschluss greifen nicht durch.
Zu Unrecht meint er, er habe die Bezeichnung des Klägers als „Witzfigur“ benutzen dürfen, weil sie „aus seiner Situation sachlich gerechtfertigt“ gewesen sei. Bei der Bezeichnung einer Person als „Witzfigur“ handelt es sich um eine ehrverletzende und beleidigende Äußerung (vgl. auch das Beklagtenseite genannte Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.06.2009 – 5 SA 107/09 unter Ziffer 2.2.5 – zitiert nach BeckRS 2012, 75494). In dem soeben zitierten Urteil hat es das Landesarbeitsgericht zwar nicht ausreichen lassen, mit Rücksicht auf eine solche Erklärung das Arbeitsverhältnis zwischen Parteien des damaligen Rechtsstreits aufzulösen – dies allerdings schon nur „unter Zurückstellung erheblicher Bedenken“; die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses stellt aber jedenfalls einen gravierenderen Vorgang dar als der Anspruch, eine Äußerung zu unterlassen.
Bei der fraglichen Bezeichnung steht auch nicht etwa die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund (vgl. dazu das ebenfalls von Beklagtenseite zitierte Urteil OLG Köln, NJW-RR 2012, 1187, 1189). Die Bezeichnung hat keinen inhaltlichen Bezug über den Erwerb eines iPhones. Auch das ebenfalls von dem Beklagten zitierte Urteil des OLG Hamm (NJOZ 2009, 2576) führt nicht zu einem anderen Ergebnis; der Sachverhalt ist mit der vorliegenden Fallkonstellation nicht zu vergleichen – in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall ging es unter anderem um den Nachweis der Wahrheit der beanstandeten Äußerung.
Es fehlt auch nicht an der Wiederholungsgefahr.
Bei diesem Merkmal handelt es sich um die auf Tatsachen gegründete objektive ernstliche Besorgnis weiterer Störungen (dazu und zum folgenden Bassenge in Palandt, 74. Aufl. 2015, § 1004 Rn 32). In der Regel begründet die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu sind. Eine Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung räumt die Wiederholungsgefahr in der Regel nicht aus; erst im Rechtsstreit abgegebene Erklärungen reichen nur, wenn sie uneingeschränkt strafbewehrt sind und nach der Überzeugung des Gerichts aus besserer Einsicht, nicht bloß unter dem Druck des Rechtsstreits, abgegeben werden.
Im vorliegenden Fall mag es zwar sein, dass der einzige Kontakt zwischen den Parteien in dem Vertrag besteht, der dem Rechtsstreit zugrundeliegt. Gerade mit Bezug auf diesen Vertrag setzt sich der Streit zwischen den Parteien aber fort. Dies geschieht – wie das Studium der Akte unschwer erkennen lässt – noch jetzt mit verbal „harten Bandagen“. Angesichts dieses Umstandes und im Hinblick auf die soeben dargelegten hohen Anforderungen an die Ausräumung der Wiederholungsgefahr reicht die Erklärung des Beklagten, dass er zukünftig die Verwendung der betreffenden Bezeichnung unterlassen wolle, nicht aus.
Nach alledem kann auch von einem Rechtsmissbrauch durch den Kläger nicht ausgegangen werden.
LG Siegen, Beschluss v. 16.03.2015 – 1 T 32/14
Rolf Schälike (@RolfSchaelike)
Wie sieht es aus mit Beleidigungen in anwaltlichen Schriftsätzen ans Gericht?