Unschuldsvermutung nicht nur für Jörg Kachelmann
16 CommentsDer Fall Kachelmann
Der „Fall Kachelmann“ kommt nicht zur Ruhe, was sicher auch an der Veröffentlichung des Buches „Recht und Gerechtigkeit“ der Eheleute Kachelmann liegt, in dem sie aus Sicht der Betroffenen schildern, was die Beschuldigung Jörg Kachelmanns ausgelöst hat und welche unrühmliche Rolle nicht nur eine voreingenommene Justiz, sondern auch die vermeintlich seriöse Presse gespielt haben. Zwar darf Jörg Kachelmann mit richterlicher Billigung die Anzeigenerstatterin „Falschbeschuldigerin“ nennen, aber auch das ändert nichts daran, dass selbst seriöse Medien in der Beurteilung der Sach- und Rechtslage weiterhin daneben greifen:
Es ist erschreckend, dass anlässlich eines Fernsehauftritts Kachelmanns selbst die ehrwürdige FAZ sich auch heute (bzw. am 15.10.2012) noch dazu hinreißen lässt, solche Sätze zu drucken: „Dass Kachelmanns Fall beispielhaft für das Problem der Falschbeschuldigungen steht, ist allerdings nicht so klar, wie es der Wettermann gerne darstellt. Das Landgericht Mannheim hat ihn nicht freigesprochen, weil es seine Unschuld als erwiesen ansah.“
Unschuld wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet
Deshalb, extra für die FAZ: Die Unschuld eines Angeklagten muss nicht erwiesen werden. Sie wird vermutet, bis man ihm das Gegenteil bewiesen hat. Eben dies ist im „Fall Kachelmann“ aber trotz erheblicher Mühen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts nicht gelungen. Schon deshalb ist Kachelmanns Freispruch auch nicht „drittklassig“, wie eine ehemalige Frauenrechtlerin und heutiges BILD-Girl nicht müde wird, bar jeglicher juristischen Qualifikation zu schreiben. Wer angesichts solcher Verhältnisse, wie sie das Verfahren am LG Mannheim offenbart hat, einen Freispruch erzielt, darf sich mit Fug und Recht unschuldig nennen.
Es gibt keine Klassifizierungen für Freisprüche. Herr Kachelmann wurde trotz einer Staatsanwaltschaft im Verfolgungswahn und trotz parteiischer Richter frei gesprochen. Das hat er nicht nur seinen Anwälten zu verdanken, sondern dem Sieg der Unschuldsvermutung über alle Vorverurteilungen. Wer das nicht versteht oder nicht respektiert, sollte nicht für ein Blatt wie die FAZ arbeiten, sondern sich bei Springer oder Burda bewerben. Dort scheint die Missachtung rechtsstaatlicher Errungenschaften Einstellungsvoraussetzung zu sein.
Sachliche Auseinandersetzung
Dies vorausgeschickt, darf ich das Buch von Jörg und Miriam Kachelmann uneingeschränkt empfehlen. Diverse Artikel hatten zunächst eine unschöne Prinzipienreiterei erwarten lassen, Rundumschläge, unreflektierte Allgemeinplätze. Aber das Gegenteil ist der Fall. Jörg und Miriam Kachelmann setzen sich, nach alldem was ihnen widerfahren ist, sehr sachlich und ruhig mit der Materie auseinander und lassen den Leser eigene Schlüsse ziehen. Vieles bleibt zwar auch nach der Lektüre des Buches offen – z.B. weshalb RA Birkenstock letzlich das Mandat entzogen wurde und welche Rolle die Zeit-Reporterin Sabine Rückert dabei gespielt hat – aber das liegt in der Natur der Sache: nicht alles gehört an die Öffentlichkeit.
Dafür entschädigt dann aber die hervorragende Auseinandersetzung Miriam Kachelmanns mit der „Arbeit“ Alice Schwarzers im Auftrag des Springer-Verlags. Habe ich, als Schwarzer Werbung für BILD machte, nur mit dem Kopf schütteln können, wird nach Frau Kachelmanns Analyse klar, dass diese Zusammenarbeit doch zwangsläufig irgendwann kommen musste. BILD und Alice Schwarzer, das sind keine Gegensätze. Das ist nur konsequent. Aber kein Journalismus.
Einblick in die Strafjustiz
Zusammengefasst: Nicht nur Juristen bekommen durch das Buch einen wohltuend nüchternen, gleichwohl mit Leidenschaft geschriebenen Einblick in die Abläufe der modernen Strafjustiz – und die Abgründe, die sich auftun, wenn ein Gericht und die Medien voreingenommen sind. Es ist wichtig, dies zu wissen und das Buch sollte Pflichtlektüre jedes Politikers sein, der über Änderungen der StPO zu entscheiden hat.
Gerd Kraemer
Offenbar ist es schwer zu verstehen, dass auch für die Ex-Geliebte die Unschuldsvermutung gilt und es deshalb – extra für Sie jetzt! – keineswegs zulässig ist, ihr (bewusste) „Falschbeschuldigungen“ zu unterstellen.
Franz Ohnberg (@sensenstiel)
anscheinend ist dem Herrn Kraemer entgangen, dass J.Kachelmann die Frau Dinkel mit höchstrichterlicher Genehmigung Falschbeschuldigerin nennen darf 🙂
Andreas Schwartmann
Verzeihung, aber Jörg Kachelmann wurde falsch beschuldigt. Deshalb darf er Frau Claudia Simone Dinkel auch öffentlich Falschbeschuldigerin nennen.
Rainer Hankewitz
Gibt es für die Falschbeschuldigung BEWEISE? Wenn nicht, mal anständig den BALL FLACH HALTEN!!!
Jens H.
Da Jörg Kachelmann unschuldig ist (das hat ja nun einmal ein Gericht so festgestellt), ist diejenige Person, die ihn beschuldigt hat offensichtlich eine Falschbeschuldigerin.
Vera K.
@Rainer Hankewitz: Den Beweis können Sie innerhalb von 5 Minuten bekommen: Einfach mit Ihrer Frau, Freundin oder Sexpuppe die Stellung ausprobieren, die laut Schilderung der Falschbeschuldigerin bei der angeblichen Vergewaltigung eingenommen worden sein soll (Knie des großen Mannes auf Innenseite Oberschenkel der Frau). Dann rechnen Sie doch mal nach, wie lang das „Korpus Delikti“ des Herrn K. sein müsste. Ist aber nicht im Guinessbuch der Rekorde aufgeführt, komisch oder? Es geht aber noch weiter: Jetzt nicht vergessen mit der einen Hand die ganze Zeit dem „Vergewaltigungsmodell“ ein Messer an die Kehle zu halten und ihr mit der anderen Hand den Mund zu zu halten usw. Ich bin übrigens eine Frau und kann über Frau D. und die Rechenschwächen der Leute, die ihr Glauben schenken, nur noch den Kopf schütteln.
Vera K.
Warnung, bitte unbedingt beachten: Das ganze natürlich nur mit Zeugen und mit einem stumpfen, ungefährlichen und ein symbolischem „Messerersatz“ ausprobieren, ich wollte hier nicht zu einem wie auch immer gefährlichen „Versuch“ animieren, hoffe ich hab mich verständlich ausgedrückt!
Gerd Kraemer
Unschuldsvermutung bedeutet, dass Kachelmann mangels Schuldnachweises nicht als Täter einer Vergewaltigung gilt, unabhängig davon, ob seine Täterschaft sehr wahrscheinlich oder sehr unwahrscheinlich ist.
Unschuldvermutung bedeutet aber auch, dass Frau D. mangels Schuldnachweises nicht als Täter einer falschen Verdächtigung u.ä. gilt, unabhängig davon, ob ihre Täterschaft sehr wahrscheinlich oder sehr unwahrscheinlich ist.
Ist doch eigentlich ganz einfach: derzeit haben beide als unschuldig zu gelten. Dass RA Schwartmann das nicht versteht, ist ziemlich erschütternd.
Andreas Schwartmann
Nochmals: Frau Dinkel darf von Herrn Kachelmann mit gerichtlicher Billigung Falschbeschuldigerin genannt werden. Wieso werfen Sie mir also die Verwendung dieses Begriffs vor? Ich stelle ausdrücklich nicht fest, dass Frau Dinkel wegen Falschbeschuldigung verurteilt wurde. Das ist sie nicht, denn der dafür notwendige Vorsatz wurde ihr nicht rechtskräftig nachgewiesen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
Gerd Kraemer
Dass Herr Kachelmann als der „Beschuldigte“ Frau D. eine Falschbeschuldigung vorwerfen darf (was ich persönlich für völlig unzweifelhaft halte), heißt nicht, dass Sie und ich das auch sagen dürfen. Wir dürfen nicht. Und wir dürfen uns auch nicht damit herausreden, Frau D. immerhin nicht ausdrücklich Vorsatz und damit strafbares Verhalten vorgeworfen zu haben – das unvorsätzliche Erfinden einer Vergewaltigung ist ja nun schlecht vorstellbar.
Dante
Na, wenn das Gericht es so entschieden hat, muss es ja stimmen. Schließlich macht das LG Mannheim keine Fehler. Und wo kämen wir denn da hin, wenn die Unschuldsvermutung auch für potentielle Vergewaltigungsopfer gelten würde …
Selektive Wahrnehmung, Herr Kollege?
Vera K.
@Gerd Kraemer: Gut, dann nenne ich Frau D. halt nicht „Falschbeschuldigerin“ sondern die „Anzeigenerstatterin“, das ist immer noch besser als „das Opfer“ oder bestenfalls das „mutmaßliche Opfer“, wie sie von der Presse oder ihrem Fanclub während und sogar noch nach Abschluss des Prozesses genannt wurde / wird.
Andreas Schwartmann
Herr Kraemer: Wenn Ihnen jemand vor Ihren Augen Ihr Auto mit einer Axt zertrümmert, nennen Sie ihn Sachbeschädiger, ganz gleich, ob er verurteilt ist. Und wenn jemand Jörg Kachelmann mit nachweislich falschen Angaben einer Vergewaltigung bezichtigt und sich das behauptete Geschehen als eingestandene Lüge erweist und Jörg Kachelmann darauf hin vom Vorwurf der Vergewaltigung frei gesprochen wird und mit Fug und Recht sagen darf, dass er die Tat, derer er beschuldigt wurde, nicht begangen hat, dann nenne ich diesen Vorgang, bar jeder strafrechtlichen Wertung und völlig rechtsuntechnisch: eine falsche Beschuldigung.
Die strafrechtliche Wertung dieses Vorgangs obliegt mir nicht, und, da haben Sie Recht: Strafrechtlich gilt auch für Frau Dinkel hinsichtlich des Straftatbestandes des § 164 StGB die Unschuldsvermutung, bis zum Beweis des Gegenteils. Man kann der Auffassung sein, dass dieser in dem Strafverfahren gegen Jörg Kachelmann erbracht wurde. Die Justiz in Mannheim scheint das aber anders zu werten, weshalb Frau Dinkel strafrechtlich als unschuldig zu gelten hat. An der objektiv falschen Beschuldigung Herrn Kachelmanns ändert das aber nichts.
Andreas Schwartmann
Lieber Herr Kraemer, ich habe den beanstandeten Absatz wunschgemäß neu gefasst und konkretisiert.
Ralf Kunter
Wenigstens wissen wir jetzt alle den Namen dieser Personin, und wir werden ihn nie vergessen!
Gerswind
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