LG Köln: Keine unbegrenzte Hotline für alte Software
0 CommentsAG Köln: Keine Verpflichtung zur Stellung einer kostenlosen Hotline für Software
Ich hatte bereits über ein Urteil des Amtsgericht Köln berichtet, mit dem das Gericht eine Klage auf Feststellung, dass meine Mandantin verpflichtet sei, dem Nutzer einer in 2014 erworbenen Software entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen dauerhaft eine kostenlose Hotline zur Verfügung zu stellen, abgewiesen hat.
Die Klägerin akzeptierte das Urteil nicht und zog in die Berufung vor das Landgericht.
Landgericht Köln: Hotline nur für 2 bis 3 Softwareversionen üblich
Das Landgericht Köln bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts nun mit Urteil vom 01.04.2021.
Aus den Gründen:
Der Klägerin steht kein Anspruch mehr gegen die Beklagte auf Nutzung der Hotline für die Programmversion 2014.2 zu. Die Beklagte hat sich nicht verpflichtet eine Hotline für die Programmversion 2014.2
zeitlich unbegrenzt zur Verfügung zu stellen. Anders als das Amtsgericht geht die Kammer angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen von Gewährleistung einerseits und Hotline-Support andererseits nicht
von einem Gleichlauf mit den Fristen der Gewährleistung aus. Eine zeitliche Beschränkung der Pflicht eine Hotline für die Programmversion 2014.2 vorzuhalten, ergibt jedoch eine Auslegung der vertraglichen Vereinbarung (Anlage Kl, BI.7 d.A.). Für die Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist maßgeblich darauf abzustellen, wie sie ein objektiver Dritter bei vernünftiger Beurteilung der ihm
bekannten oder erkennbaren Umstände hätte verstehen können und müssen.
Entsprechendes gilt für die Auslegung eines aus zwei übereinstimmenden empfangsbedürftigen Willenserklärungen bestehenden Vertrags. Auch hier ist – aus Gründen des Vertrauensschutzes – auf die objektive Bedeutung des sich aus dem aus von den Vertragsteiien abgegebenen Erklärungen ergebenden Sinnganzen abzustellen. Die Ermittlung der objektiven Bedeutung hat anhand objektiver (und nicht etwa auf den subjektiven Empfängerhorizont des jeweils anderen Vertragsteils abstellender) Maßstäbe, nämlich nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu erfolgen, § 157 BGB.
Der Wortlaut des Vertrages ist für die Auslegung unergiebig, da er keinerlei zeitliche Komponente erkennen lässt. Die Willenserklärung der Beklagten: „Sie können unsere kostenlose …-Hotline benutzen“, kann jedoch nach dem objektiven Empfängerhorizont (der Verkehrssitte) nur so verstanden werden, dass die Dauer der Zurverfügungstellung einer Hotline für eine konkrete Programmversion einer Software nur für einen begrenzten Zeitraum gewährt werden soll. Eine Verkehrssitte ist die im Verkehr in einer größeren Zahl gleichartiger Fälle über einen gewissen Zeitraum nach einheitlicher Auffassung aller Beteiligten tatsächlich herrschende Übung.
Einem Nutzer von Softwareprogrammen ist bekannt, dass Softwareprodukte regelmäßig weiterentwickelt werden und irgendwann die Unterstützung durch die Softwareentwicklungsfirmen für eine alte Software endet. Dies gilt gleichermaßen auch für einen Support per Hotline. Ein objektiver Dritter hat nicht die Erwartung, dass ein Softwareunternehmen seine Mitarbeiter dauerhaft für Software schult, die veraltet ist. Vielmehr ist für einen objektiven Empfänger bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ersichtlich, dass dem Softwareunternehmen das Vorhalten Support für eine Software nur für einen begrenzten Zeitraum zumutbar ist.
Jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt besteht eine Verpflichtung der Beklagten zur Verfügbarkeit einer Hotline für die Programmversion 2014.2 nicht mehr. Der Zeitraum, indem sich ein Softwareentwickler verpflichtet eine Hotline zur Verfügung zu stellen, richtet sich danach, was ein objektiver Dritter redlicher Weise erwarten darf. Berücksichtigung bei dieser Erwartungshaltung können dabei bekanntermaßen
existierende Nutzungszyklen einer nachvollziehbare Gründe haben. Eine Software muss regelmäßig mit Updates versehen werden, um Sicherheitslücken zu schließen und aktuelle technische Entwicklungen in die Systeme zu integrieren, diese also dauerhaft zu verbessern. Stellt man einen telefonischen Support zur Verfügung benötigt man Mitarbeiter, die mit der Software vertraut sind.
Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren Gründe für die Weiterentwicklung von Softwareprodukten sind Nutzungszyklen von einem Jahr nicht unüblich und durchschnittlich zu erwarten. Ein durchschnittlicher Nutzer einer Hotline kann sodann nach Entwicklung einer Software berechtigter Weise erwarten, dass die Unterstützung älterer Programmversionen nicht unmittelbar vollständig wegfällt,
sondern Hotlinemitarbeiter auch für die letzten 2-3 Softwareversionen eine Schulung erhalten und auf entsprechende Quellcodes zugreifen können. Dieser Übergangszeitraum ist aber jedenfalls heute, über 6 Jahre nach dem Kauf der ursprünglichen Softwareversion, abgelaufen.
Von dieser objektiven Wertung ist auch im Fall der hiesigen Parteien nicht aufgrund einer überlagernden privatautonomen Willensbildung der Beteiligten, abzuweichen. Dies käme dann in Betracht, wenn die Beklagte tatsächlich ihre Software nicht regelmäßig aktualisieren würde und deshalb die zu erwartende Unzumutbarkeit nicht eintritt, mithin der wahre Wille der Beteiligten gemäß § 133 BGB eine längere
Laufzeit begründen würde. Dies ist indes nicht der Fall. Die Beklagte entwickelt jedes Jahr ein Update der Software. Soweit die Klägerin bestreitet, dass Updates erfolgt sind und darin Veränderungen vorgenommen wurden sowie Mitarbeiter für die Software geschult werden, dringt sie damit nicht durch. Dass Software-Updates erfolgt sind, ergibt sich aus den vorgelegten Info-Blättern (Bl.68 ff. d.A.). Anhaltspunkte dafür, dass es diese Updates tatsächlich nicht gab, sind nicht zu erkennen. Dass es grundsätzlich eine Hotline gibt, an der Mitarbeiter der Beklagten arbeiten, ist unstreitig, sodass allgemein bekannt ist, dass solche Mitarbeiter auch geschult werden müssen. Unerheblich ist insofern auch, ob bei jedem Update eine Vielzahl von Änderungen vorgenommen wird, da jedenfalls bei einer nicht ganz geringen Anzahl
Änderungen pro Update der jeweilige Mitarbeiter die Unterschiede der einzelnen Softwareupdates kennen muss, um auf Kundenfragen adäquat reagieren zu können. Soweit nämlich eine Pflicht zur Unterhaltung einer Hotline für das jeweilige Softwareupdate besteht, muss auch entsprechend geschultes Personal vorhanden sein.
Auf die von der Kammer in Erwägung gezogene Anwendung der § 313 Abs. 1 BGB oder § 314 BGB kommt es deshalb letztlich nicht mehr an.
LG Köln, Urteil vom 1.4.2021 – 1 S 106/19
AG Köln – 126 C 401/18