eBay: Gebrauchsspuren müssen konkret beschrieben werden
1 CommentChanel-Kleid mit Gebrauchsspuren gekauft: Rücktritt
Der Kläger verkaufte über eBay ein gebrauchtes dreiteiliges Kleid von Chanel zum Preis von 550,- EUR. Nach dem Ablauf des Angebotes, auf das die Beklagte das Höchstgebot abgegeben hatte, verweigert diese die Bezahlung des Kaufpreises. Zunächst solle der Kläger Auskunft erteilen über etwaige Mängel des Kleides. Der Kläger räumte leichte Gebrauchsspuren ein, ohne sie jedoch genauer zu spezifizieren. Die Beklagte trat daraufhin vom Kaufvertrag zurück.
Der Kläger erhob vor dem Amtsgericht Saarbrücken Zahlungsklage – und verlor. Das Gericht gab der Beklagten Recht:
Die Entscheidung des Gerichts
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gem. § 433 Abs. 2 BGB. Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist zunächst […] ein wirksamer Kaufvertrag über das streitgegenständliche Kleidungsstück zustande gekommen. Der Kläger hat das Kleidungsstück über die Internetplattform eBay angeboten. Die Beklagte gab das Höchstgebot ab.
Die Beklagte ist aber gem. §§ 324, 241 Abs. 2 BGB wirksam vom Vertrag zurückgetreten.
Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger vom gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner eine Rücksichtsnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 verletzt und dem Gläubiger deshalb das Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist. Typischer Fall der Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB ist die Pflicht, sich bei der Abwicklung des Vertrages so zu verhalten, dass Körper, Leben, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.11.2010 – 6 U 107/09 -, Rn. 54, juris).
Der Kläger hat durch […] die Verweigerung weiterer Auskünfte über den Zustand des Kaufgegenstandes gegen solche vertragliche Schutz- und Nebenpflichten verstoßen.
Pflicht zur genauen Spezifizierung von Gebrauchsspuren
In dem Angebot ist bei Artikelzustand mitgeteilt, dass das Kleidungsstück gebraucht ist, also schon getragen wurde. Mängel oder Fehler wurden nicht angegeben. Nach Abschluss des Kaufvertrages teilte der Kläger im Zuge der Kaufabwicklungskorrespondenz der Beklagten mit, dass Gebrauchsspuren vorhanden seien. Auf die Nachfrage der Beklagten, um welche Gebrauchsspuren es sich handele, erfolgten keine Auskünfte durch den Kläger. Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, schon in dem Angebot auf die nachträglich mitgeteilten Gebrauchsspuren hinzuweisen und diese zu spezifizieren. Nachdem er im Angebot hierzu nichts mitgeteilt hat, wäre er jedenfalls gehalten werden, diese Gebrauchsspuren auf Nachfrage nachträglich genau zu bezeichnen. Es handelt sich um wesentliche Merkmale der Kaufsache, die für die Kaufentscheidung von erheblicher Bedeutung sind. Der Kläger hat selbst auf mehrfache Nachfrage durch die Beklagte keine Angaben zu den Gebrauchsspuren gemacht und damit pflichtwidrig die Interessen der Beklagten beeinträchtigt. Aufgrund dieser Pflichtverletzung war der Beklagten auch ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar. Die Beklagte kann hier insbesondere nicht auf ihre Möglichkeit verwiesen werden, bei etwaigen Mängel Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die fehlenden Angaben zu den mitgeteilten Gebrauchsspuren betreffen bereits die Kaufentscheidung und können nicht zu Lasten der Beklagten erst im Rahmen der Gewährleistung Berücksichtigung finden […].
Amtsgericht Saarbrücken, Urteil vom 24.01.2020 – 42 C 171/19 (10)
Fazit
Ich halte diese Entscheidung für falsch. Die Beklagte hat, ohne sich vorher über den genauen Zustand der Kaufsache zu erkundigen, eine unbedingte Willenserklärung auf Abschluss des Kaufvertrages abgegeben. Für Ihre Kaufentscheidung war der Zustand des Kleides also offenkundig nicht entscheidend. Dass ein gebrauchter Artikel Gebrauchsspuren aufweisen kann, liegt in der Natur der Sache. Es wäre also Sache der Beklagten gewesen, vor Abgabe eines Gebotes den genauen Zustand des Kleides bei dem Kläger zu erfragen. Dass der Kläger nach Abschluss des Vertrages nicht mehr bereit ist, noch bereitwillig Fragen der Käuferin zu beantworten, ist nachvollziehbar. Da der Streitwert 600 EUR nicht übersteigt, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht zulässig und die Entscheidung rechtskräftig.
Verkäufer sollten also künftig, wenn Sie einen gebrauchten Artikel anbieten, unbedingt darauf achten, etwaige Gebrauchsspuren so genau wie möglich bereits im Angebot zu beschreiben, zumindest aber etwaige Nachfragen – auch nach dem Kauf – beantworten.
Jemand
Dem Schluss, dass dem Käufer der Zustand des Kaufgegenstands völlig egal war, würde ich so nicht zustimmen. Ich denke, sie bringen hier zwei Dinge durcheinander: einerseits die vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung, die „leichte Gebrauchsspuren“ mit umfasste, andererseits den tatsächlichen Zustand der Kaufsache. Hinsichtlich dessen sehe auch ich durchaus eine vertragliche Nebenpflicht des Verkäufers iSv § 241 Abs. 2 BGB, Auskunft über die Defizite der Kaufsache zu geben, um der Käuferin die Abgrenzung zwischen vertragsgemäßen Gebrauchsspuren und darüber hinausgehenden Mängeln zu geben und die hier in concreto bestehende Gefahr der Rückabwicklung zu vermeiden. Nur weil es gemeinhin üblich ist, sich vor Vertragsschluss über den genauen Zustand derKaufsache zu erkundigen, heißt dies nicht, dass dies nicht auch nach Vertragsschluss noch möglich wäre.