Abgemahnt? Die Polizei ist Freund und Helfer!
1 CommentWer im Internet ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Erlaubnis des Rechteinhabers weiterverbreitet, kann deswegen abgemahnt werden. In der Regel ist den Rechteinhabern aber nur die IP-Adresse des Anschlussinhabers bekannt, von dessen Internetanschluss aus die Datei unerlaubt hochgeladen wurde – z.B. über ein Filesharing-Programm wie eMule oder ein BitTorrent-Netzwerk.
Mit dieser IP-Adresse wenden sich die Rechteinhaber dann an den jeweiligen Internetzugangsprovider, der nach § 101 UrhG zur Auskunft darüber verpflichtet ist, wem die IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt der Rechtsverletzung zugeordnet war.
Die Auskunft des Providers begründet sodann eine tatsächliche Vermutung, dass der Anschlussinhaber für die festgestellte Rechtsverletzung verantwortlich ist – als Täter oder als Störer. Weigert er sich, eine geforderte Unterlassungserklärung abzugeben und/oder den geforderten Schadensersatz zu zahlen, trifft ihn in einem möglichen gerichtlichen Klageverfahren die sogenannte sekundäre Darlegungslast, dass nicht er, sondern eine andere Person die Rechtsverletzung begangen hat.
Das Landgericht Stuttgart (Urteil v. 28.06.2011 – 17 O 39/11) hat nun in einer Entscheidung vom 28.06.2011 die Anforderungen an diese sekundäre Darlegungslast präzisiert und eine Klage vier großer Firmen der Musikindustrie (Warner, Universal, Sony und EMI), die im Verfahren durch die für ihre Abmahnungen bekannte Hamburger Kanzlei Rasch u. Kollegen vertreten wurden, abgewiesen.
Die Beklagten waren wegen der angeblichen Verletzung von Urheberrechten abgemahnt worden. Sie sollen am 18.09.2006 innerhalb von 7 Minuten ingesamt 253 Audiodateien mittels einer Filesharing-Software zum Herunterladen im Internet verfügbar gemacht haben.
In der Folge sollen sie an weiteren vier Tagen Urheberrechtsverletzungen über den ihnen zugeordneten Internetanschluss begangen haben. Es wurde Strafantrag gestellt.
Im Zuge der Ermittlungen suchte ein Kriminalbeamter am 04.07.2007 den Haushalt der Beklagten überraschend auf. Er fand dort lediglich einen einzelnen PC vor, auf dem aber weder eine Filesharing-Software, noch die verdächtigen Audiodateien zu finden waren.
Nach Akteneinsicht mahnten die klagenden Firmen der Musikindustrie die Beklagten gleichwohl wegen Verletzung ihrer Rechte ab.
Die Beklagten gaben dann zwar die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, verweigerten jedoch die Zahlung des ebenfalls geforderten Schadensersatzes.
Diesen klagten die Rechteinhaber deshalb nun beim LG Stuttgart ein – allerdings ohne Erfolg.
Die Kammer entschied:
Zwar belege die Auskunft des Internetzugangsproviders (DTAG), dass die von den Klägern festgestellte IP-Adresse im Zeitpunkt der Rechtsverletzung den Beklagten zugeordnet gewesen sei. Es bestehe daher eine tatsächliche Vermutung, dass die Rechtsverletzung von den Beklagten ausgegangen sei.
Diese hätten diese Vermutung jedoch widerlegt, da sie ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen seien. Sie hätten sich nicht darauf beschränkt, die Rechtsverletzung einfach zu bestreiten, sondern zu den Vorwürfen substantiiert Stellung genommen. Die Darlegungen der Beklagten, auf ihrem PC befände sich kein Filesharing-Programm und ihr WLAN-Router sei ausreichend gesichert, sei durch die Feststellungen der Kriminalpolizei anlässlich des überraschenden Besuches am 04.07.2007 gestützt worden.
Generell entstünden einer Partei erhebliche Beweisprobleme, wenn sie Umstände beweisen müsste, die zum Bereich des Prozessgegners gehörten. Eine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Parteio verbiete sich, da generell keine Partei verpflichtet sei, dem Gegner die für den Prozesssieg benötigten Informationen zu verschaffen. Mehr als eine Modifizierung der Darlegungslast für den Anschlussinhaber verbiete sich also, da andernfalls der Grundrechtsschutz des Prozessgegners über Gebühr beeinträchtigt würde.
Die Beklagten mussten also nicht den Beweis antreten und erbringen, dass die Feststellungen der Klägerseite, insbesondere die Zuordnung der IP-Adresse zu ihrem Anschluss, fehlerhaft war. Es reichte aus, substantiiert darzulegen, dass die vorgeworfene Rechtsverletzung nicht begangen wurde – und dazu auf die Feststellungen der Polizei zu verweisen.
Beraterhinweis:
Die Entscheidung des LG Stuttgart betrifft einen Einzelfall, aus einer Zeit, in der die Rechteinhaber noch die Staatsanwaltschaften zur Ermittlung der Daten eines Anschlussinhabers missbrauchen mussten. In der Regel schaut, zumindest bei Rechtsverletzungen von geringem Ausmaß, kein Polizeibeamter vorbei, um sich einmal die Computer des Anschlussinhabers genauer anzuschauen. I
n dem vorliegenden Fall gereichte aber genau diese Überprüfung durch die Polizei den beklagten Anschlussinhabern zum Prozesssieg. Denn sie konnten mit Hilfe des polizeilichen Besuches substantiiert darlegen, dass sie weder über eine Filesharing-Software verfügten, noch die fraglichen Dateien sich auf ihrem Rechner befanden. Ein einfaches Bestreiten der ihnen vorgeworfenen Rechteverletzung, ohne dies durch entsprechende Nachweise bzw. Befunde mit Substanz unterfüttern zu können, hätte den Beklagten vermutlich nicht gereicht und die Klage wäre, wie in einer Vielzahl von Fällen, erfolgreich gewesen.
Die Entscheidung zeigt, wie schwer es für Beklagte zumeist ist, der sekundären Darlegungslast gerecht zu werden und substantiiert darlegen, weshalb sie die ihnen vorgeworfene Rechtsverletzung nicht begangen haben (können). In diesem Fall ist die Polizei ihrem Ruf als Freund und Helfer gerecht geworden.
AMUNO
Hallo,
zählt dies auch für dynamische IP-Adressen oder nur für statische? Wenn sich der Provider nur um eine Millisekunde verhaut, kann der echte Rechteverletzer schon 200 Kilometer weiter sitzen.
mfG
AMUNO